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'Verdammtes Glatteis und große Gurken' - Musikalische Lesung mit Texten von Daniil Charms und Musik von Dimitrij Schostakowitsch

Donnerstag, 16.06.2022; 19:00 Uhr

 „Mich interessiert nur der ‚Quatsch‘, was keinerlei praktischen Sinn hat. Mich interessiert das Leben nur in seiner unsinnigen Erscheinung.“ Nonsens, kafkaeske Bedrohung und bitterer Ernst: Diese Zutaten verschmelzen in den Texten des russischen Schriftstellers und Dichters Daniil Charms (1905-1942). Zu Lebzeiten war das Werk des Avantgardisten kaum bekannt. Der Großteil konnte erst nach der Perestroika in den 1990er Jahren publiziert werden. Vor 80 Jahren starb Charms in der Gefängnispsychiatrie in dem von der Deutschen Wehrmacht belagerten Leningrad, vermutlich an Unterernährung. Die genauen Umstände seines Todes sind bis heute ungeklärt.

In der musikalischen Lesung „Verdammtes Glatteis und große Gurken“ entdecken Steven Markusfeld und Gintaras Januševičius die Farben und Bedeutungen der Texte von Charms durch die Musik von Dmitri Schostakowitsch (1906-1975). Charms und Schostakowitsch verbindet, dass beide die Zeit des Umbruchs von der Zarenzeit zur Sowjetrepublik sowie stalinistische Verfolgungen erlebt und erlitten haben. Der Komponist gilt als „musikalischer Zeichner“ der grausamen Epoche. Seine 24 Präludien, Op. 34 werden die Texte von Daniil Charms umrahmen.

Daniil Charms wurde als Daniil Iwanowitsch Juwatschow, so sein richtiger Name, 1905 in St Petersburg geboren. Seine Mutter war eine Adlige, der Vater ein ehemaliger politischer Gefangener. Schon als 17-Jähriger debütierte Charms unter seinem Pseudonym und verwendete noch einige andere, um mit ihnen nach Belieben das Namensschild an seiner Tür auszuwechseln. Sein Ouevre weist ihn als aufmerksamen Beobachter seiner Zeit aus. Bereits in frühen Texten taucht das Motiv der Verhaftung auf, enden Konflikte aus nichtigen Anlässen tödlich, prügeln sich brave Bürger, bringen sich Genossen gegenseitig um. „Heroismus, Pathos, Schicksal, Moral, hygienisch Reines, Sittlichkeit und Glücksspiel sind mir verhasste Wörter und Gefühle.“

Mit dem Wissen um die Verbrechen der Stalin-Zeit gelesen, gefriert dem Leser das Lachen im Hals, wenn die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit verwischt. Charms-Übersetzer Peter Urban: „Aber dieser Russe sagt eben doch ganz klar: nicht seine Sachen sind alogisch oder absurd, sondern das Leben, das er beschreibt: das ist das eigentlich Absurde.“

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die Biographien

Der in Stuttgart geborene Steven Markusfeld wuchs in Albuquerque, New Mexico, USA auf. Sein Schauspiel- und Regiestudium absolvierte er an der Universität von New Mexico und der Brandeis Universität in Boston. Er war an diversen Theatern in Deutschland und Österreich tätig, unter anderem in Frankfurt und Wien, sowie als Dozent und Gastprofessor in den USA und Europa engagiert. Sein Können umfasst ein breites Spektrum: Er studierte Pantomime sowie commedia dell'arte und archetypische Masken bei Annie Louie, USA, Ella Jarosawicz, Paris und Michael Chase, London. In Hannover war er bis 2019 Betriebsdirektor des Staatsballett Hannover unter der Leitung von Jörg Mannes, zuvor Manager/Dramaturg der Tanzkompanien Ismael Ivos, Ana Mondini oder des Kevin O'Day Ballett. Seine Wilhelm Busch Lesung „Aus alten Zeiten“ wurde 2018 zum ersten Mal im Wilhelm Busch Geburtshaus in Wiedensahl vorgetragen. Zurzeit ist Steven Markusfeld Mitglied des Tanz-/Theaterbeirats der Landeshauptstadt Hannover und unterrichtet Theaterworkshops in Deutschland, Österreich und England.

Der Pianist Gintaras Januševičius ist Preisträger und Finalist bei zahlreichen Musik-Wettbewerben in der ganzen Welt sowie gern gesehener Gast bei internationalen Festivals. Seine internationale Karriere begann er 2004 als jüngster Teilnehmer des renommierten Montrealer Musikwettbewerbs. Seine Interpretationen – etwa von Rachmaninows Werken - wurden von berühmten Pianisten wie Jean-Philippe Collard, Akiko Ebi oder Lee Kum-Sing gewürdigt. "Gintaras Januševičius gleitet wie ein Albatros. Sein Spiel […] war für mich wie eine außerordentliche Offenbarung […] immer vorwärts, gerade wie eine Nadel, mit der Natürlichkeit eines Meisters und Vitalität eines jungen Mannes." (Christophe Huss, ‚Classics Today‘).  In seinen thematischen „Gesprächskonzerten“ verbindet er seit 2013 Musik mit Geschichte, Literatur und Theater in einer spannenden Mischung. Vor der Pandemie tourte er erfolgreich in Deutschland und Litauen, sowie in New York, Rio de Janeiro, London oder Paris.  Für das Jahr 2023 ist eine USA- und Europatour geplant. 

 

Der Fall Petrakow

Petrakow wollte sich einmal schlafen legen, legt sich aber neben das Bett. Dabei schlug er dermaßen auf den Boden, dass er liegen blieb und nicht mehr aufstehen konnte. Dann nahm Petrakow seine letzten Kräfte zusammen und erhob sich auf alle viere. Doch die Kräfte verließen ihn, er fiel wieder auf den Bauch und blieb liegen.

Für Stunden lag Petrakow auf dem Boden. Erst lag er nur so da, dann schlief er ein. Der Schlaf verlieh Petrakow neue Kräfte. Er erwachte gesund und wohlbehalten, stand auf, ging im Zimmer auf und ab und legte sich vorsichtig aufs Bett. „So“, dachte er, „nun will ich ein bisschen schlafen.“ Aber der Schlaf wollte nicht kommen. Petrakow wälzte sich von einer Seite auf die andere und konnte und konnte nicht einschlafen.

Das ist eigentlich alles.

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